Hätte ich dieses Buch nicht geschenkt bekommen, hätte es wohl nie den Weg zu mir gefunden. Ich mag zwar Tiere, aber mit Elefanten im Besonderen habe ich nichts am Hut. Und mit Afrika schon gar nicht. Dennoch ist dies eines der berührendsten und eindrücklichsten Bücher, die ich je gelesen habe.
Lawrence Anthony, in Südafrika aufgewachsen, ist ein erfahrener Wildbiologe und Naturschützer. Kurz nachdem er und seine französische Lebensgefährtin das Reservat Thula Thula im Zulu-Land erworben haben, erhält er einen Anruf. Eine Herde Elefanten soll erschossen werden, weil sie immer wieder aus einem Reservat ausbrechen und damit Menschen gefährden. Thula-Thula sei die letzte Chance für die Tiere. Entgegen aller Vernunft sagt Lawrence ja. Die Herde – inzwischen auf sieben Tiere geschrumpft – trifft traumatisiert und dem Menschen feindlich gesinnt auf Thula-Thula ein. Und bricht als erstes gleich wieder aus …
Anthonys ursprünglicher Plan war, die Tiere so wild wie möglich zu belassen und so wenig wie möglich auf den Kontakt mit Menschen zu konditionieren. Aber bald erkennt er, dass der einzige Weg, sie vom erneuten Ausbrechen abzubringen der ist, das Vertrauen mindestens eines Tieres zu gewinnen. Mit unendlicher Geduld und Einfühlungsvermögen, durch Beobachten und mit viel Mut und Vertrauen nähert er sich der Leitkuh Nana an und lässt sich weder von Problemen noch von Rückschlägen entmutigen. Immer wieder findet er neue Lösungen für schier ausweglose Situationen und entscheidet sich nicht selten für sein Bauchgefühl und gegen den Rat von Experten. Langsam aber sicher lernt er, wie die Elefanten untereinander kommunizieren und wie auch er einen stillen Zugang zu ihnen finden kann.
Und das alles neben dem so schon angefüllten Alltag im Reservat. Da gibt es Wilderer, Fluten und Wildfeuer, Giftschlangen und Krokodile, Ranger, seine Hunde und die Pläne, um das Reservat für Touristen zugänglich zu machen. Nicht nur einmal befindet sich Lawrence im Mittelpunkt von lebensbedrohenden Stammeszwistigkeiten, findet aber auch hier immer wieder einen Kompromiss zwischen den Traditionen der Stämme, der Moderne und dem Naturschutz.
Mehrere Jahre folgen wir Lawrence und der Herde, amüsieren uns, leiden und bangen mit ihnen und bewundern diesen Mann, dessen Lebensmotto lautet: «Nur ein leerer Käfig ist ein guter Käfig.» Viele Entscheidungen muss er im Laufe der Jahre treffen, manchmal in Sekundenschnelle. Die meisten stellen sich als richtig heraus, aber einige auch als fatal.
Das Buch ist spannend zu lesen wie ein Krimi, berührend wie eine Liebesgeschichte, interessant und informativ wie ein Sachbuch, authentisch und ehrlich wie eine Lebensgeschichte, der Schreibstil ist flüssig, liebevoll, berührend und zuweilen auch traurig. Das Buch hat mich völlig gefesselt, und ich habe damit nicht nur einen grossartigen Menschen kennengelernt, sondern auch sehr viel über eine Spezies erfahren, die von uns Menschen komplett unterschätzt und immer noch missbraucht wird.
Auf der Webseite des Reservats erfährt man, dass Anthony Lawrence im März 2012 verstorben ist. Seine Elefanten haben das gespürt, sind meilenweit zu seinem Haus gepilgert und verharrten dort zwei Tage lang in stiller Trauer. Ein Jahr später, auf den Tag genau, stand die Herde wieder vor seinem Haus. Und im nächsten Jahr wieder …
Ich habe das Buch auf englisch gelesen, die deutsche Übersetzung kann ich nicht beurteilen.