Vom Wetter
Schon wieder leere Versprechungen! Sonnenschein und warme Temperaturen – das stand gestern bei Meteo auf der Webseite. Endlich! Nach einem dauerverregneten Wochenende, das ich als Abschluss der elend langen Durststrecke von Regen, Kälte und Wind mit Grossmut hinnahm, noch einen Sonntag in weisser Watte, an dem im Stundentakt zuerst die Hügelkette, dann der benachbarte Bauernhof, dann die grosse alte Eiche und schliesslich die Gartenmauer im weissen Nichts verschwanden – nach diesem Wochenende fuhr ich also nachhause und fühlte mich angesichts des angekündigten Frühlingswetters wie ein Pionier, der Hunderte von Bergkämmen überwunden hatte und nun endlich im Flachland angekommen war, zurück in der Zivilisation, unter Menschen, die in Häusern lebten, mit Badezimmern und heissem Wasser.
Ab morgen würde es wärmer werden. Das Schlimmste sei überstanden. Jetzt käme er doch noch, der Frühling. Und tatsächlich – beim Nachhausefahren sah ich das erste Mal seit Wochen – jedenfalls fühlte es sich so an – blauen Himmel. Die Sonnenstrahlen, die sich plötzlich über mich und mein Auto ergossen, waren fast zu viel, und ich musste die Augen zusammenkneifen. Augenblicklich erwachte ich zu neuem Leben und sang sogar die alten Schlager mit, die auf SRF 1 liefen, dem einzigen Sender, den ich hier empfangen konnte.
Heute morgen dann das ultimative Erwachen mit waschechtem Sonnenschein durch die Ritzen der Fensterläden! Life is good! Voller Vorfreude suchte ich mir eine leichte Bluse zum Anziehen, liess die Katze raus und plante in meinen Tag mindestens eine halbe Stunde „auf dem Balkon sitzen und lesen“ ein.
Zwei Stunden später schaute ich aus dem Fenster – und erstarrte. Der Himmel war verschwunden. An seiner statt hingen eng aneinander gedrängt dicke, aufgeplusterte Wolken die aussahen, als wollten sie sich im nächsten Augenblick erleichtern. Ungläubig stürzte ich zurück zu meinem Computer und wäre beinahe über meine Katze gestolpert, die sich – von mir unbemerkt – in guter alter Winterschlafmanier in der Zimmerecke zusammengerollt hatte. Als die Meteo-Webseite endlich auf dem Bildschirm erschien, traute ich meinen Augen nicht: Dort, wo vor wenigen Stunden noch die Sonnensymbole bei Di, Mi, Do und Fr geglänzt hatten, tummelten sich nun die grauen altbekannten Wölkchen mit – ja, tatsächlich: mit den blauen Strichen, von rechts oben schräg nach unten verlaufend. Regen.
„Betrug!“ rief ich. „Das ist Betrug!“ Meine Katze erschrak und machte sich aus dem Staub. Das hätte ich auch am liebsten gemacht, irgendwohin, wo sich dieser verdammte Frühling versteckt hatte. Er gehörte hierher, Herrgott nochmal, das war seine verdammte Pflicht! Allerspätestens im Juni gehörte er einfach hierher, basta.
Ich schnaubte und liess mich auf meinen Stuhl fallen. Ja, ich weiss, dass das nichts nützt. Ich weiss, dass es gut ist, dass wir Menschen kein Wetter machen können. Ist ja gut … Ich ging zur Heizung und drehte sie auf, zog mein Blüschen aus und tauschte es gegen den unförmigen, aber kuschelig-warmen Sweater, den ich schon seit Wochen zu tragen scheine. Ich kochte mir eine Tasse Rotbusch-Tee und setzte mich wieder an den PC. Den Impuls, eine Kerze anzuzünden, unterdrückte ich.
Kurz darauf huschten meine Finger wieder über die Tasten. Nun ja, was soll man machen? Zum Fenster hinaus schaute ich nicht mehr. Und auch nicht auf die Webseite von Meteo.
PS: Diesen Text schrieb ich am Montag. Am Dienstag war natürlich alles schon wieder ganz anders. Auch auf der Webseite von Meteo …
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