Von guten Büchern
Elke Heidenreich sagte neulich im Literaturclub, sie werde immer wieder gefragt, was denn nun ein gutes Buch sei. Ihre Antwort: „Eine gute Geschichte, die gut erzählt ist.“
Hört sich einfach an, ist es aber nicht. Zumindest nicht für mich. Früher glaubte ich, Bücher auf Bestsellerlisten müssten unweigerlich gut sein – wieso sollten sie sonst Bestseller sein? Aber immer wieder (wenn auch nicht immer) legte ich solche Bücher nach einigen Kapiteln enttäuscht beiseite. Ich stöberte im Internet unter „Buchtipps“ und „Buchempfehlungen“, aber meistens fand ich darauf auch nur wieder jene Publikationen, die momentan gerade im allgemeinen Buch-Marketing angepriesen wurden. Auch auf die Sterne-Bewertungen bei amazon war kaum Verlass, zumal diese von einem bis zu fünf Sternen bei ein und demselben Buch variieren konnten. Ich fragte befreundete Leseratten nach ihren Empfehlungen – manche waren wirklich toll, über andere konnte ich einfach nur den Kopf schütteln.
Sind gute Bücher also Geschmackssache?
Ja und nein. Ja deshalb, weil es unbestritten auch beim Lesen Vorlieben und Abneigungen gibt. Ich zum Beispiel lese nur sehr selten Krimis, weil ich mich einfach nicht gerne mit Mord und Totschlag und mit Lügen und Betrug beschäftige. Ausserdem stört mich, dass es bei den meisten Krimis nicht um eine Entwicklung der Figuren, sondern meist nur um Spannung und Unterhaltung geht. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, nur ist es nicht mein Ding.
Nein aber deshalb, weil es für eine „gut erzählte Geschichte“ einige Grundregeln gibt. Zum Beispiel glaubwürdige, vielschichtige Figuren. Plausible Handlungsstränge, die sich aus ebendiesen Figuren ergeben und weniger aus den äusseren Umständen, die der Autor auf Lager hat. Einen Spannungsbogen, der sich in immer grösser werdenden Wellen – mit den nötigen Ruhepausen – und immer stärkerem Sog auf einen Höhepunkt zubewegt. Und – elementar wichtig! – einen befriedigenden Schluss. Nein, nicht unbedingt ein Happy End, aber ein Schluss, bei dem alle ausgelegten Handlungsfäden zusammengeführt oder aufgelöst werden. Das ist der Autor dem Leser einfach schuldig – alles andere fühlt sich an, als habe er sich aus der Verantwortung gestohlen.
Und was ist mit dem Inhalt? Der ist für mich, erstaunlicherweise, zweitrangig. Wenn es nicht gerade um eine Vergewaltigungsgeschichte oder einen Völkermord geht (mit denen ich mich ebenfalls nicht beschäftigen will), steht für mich die Erzählweise über der Geschichte. Ein guter Geschichtenerzähler kann auch eine weniger reisserische Geschichte wundervoll erzählen. Und dann lasse ich mich von ihr ohne Widerrede in Themenbereiche entführen, in die ich mich ohne dieses Buch nie begeben hätte. Einzige Bedingung: Die Figuren müssen glaubhaft sein und sich im Laufe der Geschichte entwickeln.
Ich mag also definitiv keine Bücher, die sich nur im Elend suhlen und sich aufs Anklagen beschränken. Bücher, die einfach mittendrin aufhören. Abstrakte und abgehackte Geschichten. „Kurzgeschichten“, die nichts weiter sind als reine Beschreibungen oder Szenen, ohne Anfang, Mitte und Ende. Wenn ich ein Buch am Ende zuklappe, möchte ich es mit einer Mischung aus Bedauern, dass es schon zu Ende ist, und Befriedigung, dass es nachvollziehbar geendet hat, aus der Hand legen können. Und mit Dankbarkeit, dass es sie eben doch gibt, die guten Bücher, die gute Geschichten gut erzählen.
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